Gertrude Haider: anlässlich Vernissage zu Ausstellung Brigitte Bruckner-Mikl und Theresa Bruckner Galerie Linz, 2010
Wer diese Ausstellung sieht, spürt bereits beim Betreten der Räume: Hier ist Kraft am Werk! Die Kraft der Realität, die Kraft empfundener und wahrgenommener Emotionen.
Und das ist nicht verwunderlich: Zwei starke – nein: zwei sehr starke – Frauen und Künstlerinnen präsentieren hier ihre Arbeiten. Theresa Bruckner und Brigitte Bruckner-Mikl. Insider wissen
natürlich, dass die Malerin Brigitte Mikl die Tochter der Malerin Theresa Bruckner ist. Aha, sagt man, wenn man es erfährt und erwartet die gegenseitige Beeinflussung. Weit gefehlt. Denn eine
starke Malerin zu sein setzt auch eine starke Persönlichkeit voraus.
Zwar vermittelt diese Präsentation auf der einen Seite die starken Bande, die zwischen Mutter und Tochter bestehen, aber besonders in einigen hier ausgestellten Landschaftsmotiven, die von beiden
Künstlerinnen gleich-zeitig gemalt wurden, werden die verschiedenen individuellen Ausrichtun-gen von Mutter und Tochter in der künstlerischen Gestaltung offenbar.
Sowohl Frau Teresa Bruckner als auch Frau Brigitte Mikl waren – zumindest temporär – Schülerinnen des großen, 2008 verstorbenen Josef Mikl, einem der wichtigsten Vertreter Österreichs
Moderner. Aber beide Künstlerinnen gingen den Weg, den sie gehen wollten. Mikl war für sie Lehrer (auch Ehemann für die eine), aber nicht Einflussnehmer auf ihre individuelle Entwicklung. Genau
so wenig wie Teresa Bruckner Einfluss nahm auf die Richtung der künstlerischen Entfaltung ihrer Tochter.
Lehren, auch streng kritisieren, animieren, Anregungen geben ist eine Sache – die Unterdrückung der Individualität des Schülers durch den Lehrer aber ist eine andere und hier absolut nicht
erfolgt. Und das ist gut. Die beiden Künstlerinnen hätte sich auch nicht unterdrücken lassen......
THERESA BRUCKNER
Betrachten wir zuerst einmal die Werke von Teresa Bruckner. Sie ist – und das muss ich sagen – eine liebe, langjährige Freundin von mir, und schon deshalb bin ich nicht nur als Kunstkritikerin
mit ihren Werken – auch mit deren Entstehung – bestens vertraut. Teresa Bruckner malt seit frühester Kindheit. Doch sie trat – bedingt durch ihre familiäre Situation – erst relativ spät mit ihren
Bildern an die Öffentlichkeit. Und präsentierte dieser ein fulminantes, ausgereiftes Werk. Und etwas, was optimal ist, kann man kaum mehr steigern. Das Anlegen des Bildes, die Beherrschung der
Form, das Hervorbrechen tiefster Emotionen, die Expression einer ausgeprägten Erlebniskraft – das alles war mehr oder weniger von Anfang an vorhanden. Was sich im Laufe der Jahre geändert
und temporär ihre Werke geprägt hat, war im Grunde immer nur bedingt durch die persönlichen Lebensumstände der Künstlerin.
So wie im Leben eines jeden Menschen sah sich auch Theresa Bruckner mannigfaltigen Situationen, Lebensformen und persönlichen, sehr ein-schneidenden Veränderungen gegenüber. Und das schlug und
schlägt sich natürlich in der Bildgestaltung nieder: Die ursprünglich breite Farbpalette der Natur beschränkte sich vor rund 15 Jahren plötzlich auf zwei, drei ex-trem starke Grundfarben,
das glühende, emotionsgeladene Rot, das kämpferische Orange paarte sich mit Blauschwarz, das sich nur linear positionierte, dem formal extrem reduzierten Bild aber greifbare Spannung
verlieh. Positionieren, hervortreten, abgrenzen – kämpfen. Das war eine Epoche in Theresas Leben. Sie endete mit einem Schlag – um einer völlig neuen Malperiode zu weichen, die jedes
Rot, Orange oder Gelb verbannte. Erst nach Jahren kamen diese Farben wieder auf die Palette – auf die Palette des Lebens, wenn man so will - und damit wieder ins Bild.
Aber nicht nur die Farben, auch die Thematik dieser starken, aus dem Innersten heraus geborenen Ölbilder wurden und werden von ihren Lebensumständen geprägt. Theresa Bruckners Landschaften sind
im Grunde nur ein leidenschaftliches Sichtbarmachen des Umfeldes, in dem sie lebt. Und das sie erlebt. Ihr Repertoire wird von wuchtiger, eindringlicher Architektur des Mühlviertels, aber auch
südlicher Landschaften getragen. Und auch die entsprechende Vegetation – Blumen in jeder Form, Bäume und Baumgruppen als eigenständige Bildmotive – sind letztlich dem intensiven
„Landschaftserleben“ der Künstlerin entsprungen. Auch das Stillleben – und hier rückt die leidenschaftliche Gärtnerin Theresa in den Vordergrund – ist wichtiges Thema.
Und man findet schließlich die Figur, findet den Menschen als aussagestarkes, vom jeweiligen Charakter der gemalten Person geprägtes Werk. Wobei der sinnliche, oft sogar pralle Akt ebenso
beeindruckt wie die unschuldige, aber farbenprächtig wiedergegebene Heilige. Und wenn man mehrfache Großmutter ist, was man der Malerin aber nicht ansieht, haben neben Töchtern und
Sohn natürlich auch die Enkelkinder Anspruch darauf, von der berühmten Oma auf der Leinwand festgehalten zu werden. Wie ich schon sagte: Teresa Bruckners Bilder – stark, expressiv, emotionell und
bestechend in ihrer Aussagestärke – sind im Grunde Wiedergaben ihrer persönlichen Situationen. Bilder ihres Lebens.
Und ein wichtiger Teil ihres Lebens sind eben ihre Kinder:
Ihr Sohn Otto, ihre Tochter Sabine – und ihre Tochter Brigitte:
Die Malerin Brigitte Bruckner-Mikl.
BRIGITTE BRUCKNER-MIKL
Und hier begegnen wir einer ganz anderen Welt:
Unbestritten ist, dass sich das große künstlerische Talent von der Mutter auf die Tochter vererbte. Doch der künstlerische Weg Brigitte Mikls war ein anderer: Ihr war es möglich, bereits in
jungen Jahren an die Akademie der bildenden Künste zu gehen, dazwischen Studienaufenthalte in Berlin zu absolvieren. Ihre Lebensumstände ermöglichten ihr, sich intensiv ihrer Malerei zu
widmen. Ihre ersten Ausstellungen waren bereits 1985, seit Ende der 80er Jahre lebt und arbeitet sie als freie Künstlerin.
Als Tochter einer erfolgreichen Malerin einerseits und Ehefrau Josef Mikls andererseits war es bestimmt nicht einfach, künstlerische Eigenständigkeit und Unabhängigkeit zu entwickeln. Zu
verlockend wäre es gewesen, im Fahrwasser so großer Vorbilder wie eben ihrer Mutter Theresa Bruckner (expressiv aber äußerst diszipliniert in ihrer Kunst) und ihres Mannes Josef Mikl
(monumental und ausufernd in seiner Gestaltungsweise) sich zu bewegen. Doch das wäre für eine starke Frau, und das ist Brigitte allemal, keine Herausforderung gewesen. Was aber nicht bedeutet,
dass sie ihre bildnerischen Wurzeln verleugnet – doch sie blieben, was sie stets bleiben sollten: Nahrhafte Wurzeln, aus denen Neues emporwächst.
Und dieses Neue wuchs und wächst. Es betont die Eigenständigkeit, die künstlerische Individualität und auch Identität der Malerin: Sowohl in der gewählten Thematik als auch in der formalen und
farblichen Umsetzung. Es ist nicht die Totalität, die uns hier begegnet, es ist nicht ein vielschichtiges bedeutungsträchtiges Szenarium aus verschiedensten Elementen, das sich ins Bild drängt
und uns vielleicht unsere eigene Bedeutungslosigkeit erkennen lässt. Ganz und gar nicht.
Neben dem Landschaftsbild sind es vielmehr Alltagsgegenstände, die zu Momentaufnahmen der Wirklichkeit werden. Es sind die banalen, kleinen Dinge des Lebens, die Brigitte Bruckner-Mikl zum
wichtigsten Motiv ihrer konkreten, aber großzügig angelegten Bilder werden lässt.
Das Monumentale in diesen Ölbildern liegt nicht im Thematischen, sondern kommt in der Gestaltung gerade dieser kleinen, unbedeutenden Dinge des Alltags zum Tragen. Dem auf den ersten Blick
Unbedeutenden, das uns im Alltag umgibt, kommt große Bedeutung zu, es wird zum wichtigen, markanten Hauptdarsteller: Schachteln, Kästchen, Taschen, die geöffnet und geschlossen werden,
Kleider, die achtlos über einen Sessel geworfen oder sorgsam auf einen Bügel gehängt werden, Schuhe, Mobilar, Behälter, diverse Behälter, in denen Dinge aufbewahrt, gesucht und gefunden wer-den,
Kisten, die zum Abtransport unsichtbarer Güter bereitstehen, leere Koffer, die etwas Endgültiges vermitteln. Die Bedeutung all dieses „Unbe-deutenden“ wird nicht zuletzt durch eine
interessante farbliche Bildgestal-tung unterstrichen: Das sehr dünn aufgetragene Öl des Hintergrundes – übrigens nur auf von der Künstlerin selbst grundierter Leinwand – rückt das
tatsächliche Motiv in seinem massiven Farbauftrag um so mehr in den Vordergrund, macht es „bedeutend“.
Und irgendwie wird einem bewusst: Die kleinen Dinge prägen unser Leben – ganz einfach, weil sie uns so etwas wie die Möglichkeit geben, selbst über sie zu bestimmen, sie zu wählen und zu
benützen. Sie verleihen uns so etwas wie eine Art Macht. Die großen Dinge des Lebens, wie Geburt, Tod, Katastrophen, Kriege, Gesellschaftsstrukturen, Krankheit etc. entziehen sich (von
persönlich zu treffenden Entscheidungen abgesehen) unserem Einfluss. Wir haben keine Macht über sie.