Christine Haiden: Eröffnung der Ausstellung "Lyrische Momente", Museum Angerlehner, Wels, 8. März 2020

 

Muss eine Frau sich nackt ausziehen, um in einem Kunstmuseum gezeigt zu werden? Noch vor 30 Jahren hätte die Antwort gelautet: Höchstwahrscheinlich. Nach einer Zählung des Künstlerinnenkollektivs Guerilla Girls Mitte der 1980er Jahre waren damals nur fünf Prozent der ausgestellten Kunstschaffenden Frauen, aber 85 Prozent der gezeigten Akte weiblich. Da war es vermutlich naheliegend und auch notwendig, dass viele Künstlerinnen der jüngeren Gegenwart ihren Körper und ihre Rolle als Frau auch zum Gegenstand ihrer künstlerischen Auseinandersetzung gemacht haben. Diese bis zur und über die Schmerzgrenze gehenden Performances und Werke haben den Diskurs über die Kunstwelt und den Platz der Frauen darin intensiviert.

 

Am heutigen Internationalen Frauentag kann man also nicht nur Zwischenbilanz ziehen über die Höhe von Frauenpensionen oder die Zahl von Vorständinnen in börsennotierten Unternehmen. Aber abseits des Wiegens und Messens kann man für Frauen im Kunstbetrieb feststellen: Man muss sich nicht mehr ausziehen, um in einem Kunstmuseum gezeigt zu werden, und man muss auch nicht Akte malen, den eigenen Körper aktionistisch performen. Man kann als Frau auch Landschaften malen und damit in einem Kunstmuseum gezeigt werden.

Brigitte Mikl Bruckner tut genau das. Ist das nun ein neuartiges feministisches Statement? Man könnte vielleicht sagen, es ist ein weibliches. Mikl Bruckner zieht mit ihren Arbeiten nicht in einen Kampf für oder gegen etwas. Sie ist einfach mit dem, was sie macht da. Sie bringt ihre Sicht auf die Welt ein. Wenn das möglich ist und geworden ist, hat auch der Feminismus viel erreicht. Denn um nichts anderes kann es dabei gegangen sein, als dass Frauen so selbstverständlich wie Männer mit ihrer Art künstlerisch tätig zu sein, mit ihrem künstlerischen Ausdruck wahrgenommen werden. Nicht sie als Frauen werden in einem Museum gezeigt, sondern ihre Arbeiten.

Wobei sich im Fall von Brigitte Mikl Bruckner natürlich eine kleine Hürde auftut. Die hat sie elegant in die Mitte ihres Namens genommen. Der Name ihres verstorbenen Mannes, Josef Mikl, ist so Teil ihres Lebens und Teil ihrer Identität. Aber er ist nicht der Grund, warum sie malt oder warum sie ausgestellt wird. Genauso gut könnte man bei Bruckner an Teresa Bruckner denken, ihre künstlerisch aktive Mutter. Leitet sich die Arbeit der Tochter von der der Mutter, der Ehefrau vom Ehemann ab?

 

Vielleicht gab es im Leben von Brigitte Mikl Bruckner so etwas wie eine kleine Aufmerksamkeitskonkurrenz. In der Zeit ihrer Ehe mit Josef Mikl malte sie vor allem Stilleben aus dem unmittelbaren Atelierumfeld in Wien. Dazu kamen dann die berühmten Sakkos und Schuhe. Seit dem Tod Josef Mikls geht Brigitte Mikl Bruckner wieder öfter mit ihrer Mutter auf Malsafari, wenn ich das so salopp sagen darf. Mutter und Tochter malen gerne in der Natur.

Was lernen wir daraus? Auch im künstlerischen Werk gibt es Verbundenheit und Bezogenheit. Das ist nicht zu verwechseln mit Abhängigkeit.

 

Diese Bezogenheit schafft, so sehe ich es, auch das lyrische Moment in den Arbeiten von Brigitte Mikl Bruckner. Dieses lyrische Moment ist die Verzauberung dessen, was da ist, was wirkt, Licht, Farben, Stimmungen, Formen, Horizonte. Es ist ein Erfassen des Zusammenhängenden, getragen von Intuition, Interesse, Herausforderung und Zuwendung.

 

Ist das weibliche Kunst? Ich würde mir wünschen, dass es menschliche Kunst ist.

 

Brigitte Mikl Bruckner biedert sich mit ihren Arbeiten nicht dem Zeitgeist an, aber auch nicht dem Kunstmarkt. Sie macht, was sie will, vielleicht auch muss, was aber jedenfalls das Ihre ist. Auf eine besondere Weise sind so die Künstlerin und das, was sie macht, eins.

 

Damit knüpft sie, wenn man so will, an die Strömung des Impressionismus an, der in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts versucht hat, die Kunst zu verändern. Nicht malerische Perfektion war sein Ziel, sondern das Erfassen des Momentes, des Wesens der Dinge. Unmittelbar sollte der Malstil sein, die Beziehung von Mensch und Natur im Mittelpunkt stehen.

 

Worüber reden wir heute? Von Achtsamkeit beispielsweise. Und by the way: Die Impressionisten waren die ersten, die Frauen in ihre Ausstellungen aufgenommen haben und sie daran teilhaben ließen.

 

Mir scheint, dass die Arbeiten von Brigitte Mikl Bruckner sich mit großem Gespür dem widmen, was heute dringlicher denn je scheint: Jedem Wesen, jedem Sein das Eigene zu lassen, zu versuchen, es zu erfassen, in einen Dialog mit ihm zu kommen, ob Wasser, Berg, Stein, Pflanze oder Tier. Und das nicht verkniffen oder mit erhobenem Zeigefinger, sondern mit Lust und Schwung, mit pragmatischer Handwerkskunst und poetischer Freude.

 

Gehört Kunst von Frauen ins Museum? Die Frage hat sich, denke ich, von selbst beantwortet. Die Kunst von Brigitte Mikl Bruckner jedenfalls.

 

Fotocredit: Alexandra Grill